Die Themenausstellung, die 120 Werke von 40 Künstlern präsentiert, widmet sich dem künstlerischen Transfer fotografisch erstellter Bilder in das Medium der Druckgrafik von den 1960er Jahren bis zur Gegenwart.

Die Anfänge für den Einsatz fotografischen Bildmaterials in der künstlerischen Druckgrafik liegen in der Ära der Pop Art. Damals, zu Beginn der 60er Jahre, reagierten in den USA und in der Folge auch in West-Europa viele Künstler auf die Produkte und massenmedial aufbereiteten Bilder der Konsumgesellschaft. Wie das Werk von Andy Warhol eindrucksvoll belegt, stellt der Siebdruck eines der ersten und zentralen druckgrafischen Verfahren dar, mit denen Fotografien in die Kunst übertragen wurden.

Andy Warhol, Marilyn, 1967

Seine 1967 entstandene 10-teilige Folge der „Marilyn“ macht einen wichtigen Aspekt der FotoGrafik deutlich: fotografische, bereits in reproduzierter Form vom Künstler vorgefundene Ausgangsmaterial, hier ein schwarzweißes Porträtfoto von Gene Kornman, wird in der Druckgrafik manipuliert und verfremdet. Gleichfalls im Laufe der 1960er Jahre wird etwa von den Künstlern des Kapitalistischen Realismus (Gerhard Richter, Sigmar Polke) mit der Offsetlithografie ein weiteres, scheinbar triviales Druckverfahren zur Erstellung künstlerischer Editionen eingesetzt. In der jüngeren Kunst bezeugen die Möglichkeiten dieses Mediums vor allem die vierfarbigen Handoffsetdrucke von Eberhard Havekost, die sein malerisches Werk als eigenständiger Werkstrang begleiten. Sie basieren auf Fotografien des Künstlers, die am Rechner bearbeitet und verändert werden, ehe sie im Druck neue Bildwirklichkeiten evozieren.

Die künstlerischen Absichten bei der Adaptation fotografischer Bilder und deren medialer Verfremdung sind, wie die Ausstellung zeigt, äußerst vielschichtig: Es ergeben sich unterschiedliche Formen sowohl der Bild- und Medienreflexion als auch der Analyse sozialer und politischer Wirklichkeiten, wie sie gegen 1970 etwa der Vietnam-Krieg darstellte. Bestimmte Aspekte einer fotografischen Bildvorlage werden von den Künstlern
gezielt – teilweise in Form der Collage (wie bei Robert Rauschenberg und Falko Behrendt) – herausgestellt und ästhetisch verändert. So werden etwa Fotografien im Druck mit anderen Bildelementen kombiniert, wie die aufwändigen Siebdrucke von R. B. Kitaj aus den 1960er Jahren bezeugen. In anderem Fall werden Bildinformationen über ein vorgefundenes oder gezielt eingesetztes Raster abstrahiert und verfremdet, wie etwa Werke von Sigmar Polke, Michael Morgner oder Rosemarie Trockel bezeugen. Mit Gerhard Richter kommt in den 1960er Jahren auch das ästhetische Prinzip der Unschärfe erstmals zum Einsatz. 1991 nutzte es Christian Boltanski für seine so eindrückliche, aus 23 Heliogravüren bestehende Arbeit „Gymnasium Chases“, die auf ihre Weise ein eindrückliches Denkmal an den Holocaust darstellt.
 
In jeden Fall transportiert eine Fotografie in der Druckgrafik auf ganz eigene, eigentümliche Weise die Wirklichkeit der dargestellten Gegenstände und Motive – und die Druckgrafik profitiert von dieser (scheinbaren) Authentizität der Fotografie. Gleichzeitig gewinnt die Fotografie im Medium der Druckgrafik jedoch selbst einen neuen Realitätsgrad, der sowohl über die künstlerischen Manipulationsformen als auch über die andere Materialität und Oberflächenstruktur eines Druckes erreicht wird. Allerdings finden sich, wie in der Ausstellung Werke von Havekost und Borowski bezeugen, in der FotoGrafik der Gegenwart auch Hybridformen, bei denen letztendlich es in der Entscheidungsgewalt des Künstlers liegt, ob er sie der Fotografie oder der Druckgrafik zuordnet.

Serviceinfo

Termin: 10. Juni 2011 bis 09. Oktober 2011.
Ort: Kupferstichkabinett, Kulturforum Potsdamer Platz, Matthäikirchplatz 6, 10785 Berlin Stadtplan >>
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18 Uhr, Sa + So 11-18 Uhr
Preis: 8 EUR/ erm. 4 EUR

Foto oben: Eberhard Havekost, RAUM, 2008; Inkjet, 40 x 60 cm. Erworben aus Mitteln der Stiftung DKLB von der Kulturverwaltung des Landes Berlin. © Eberhard Havekost + Galerie Gebr. Lehmann. Foto: © bpk / Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin / Volker-H. Schneider
Foto Text: Andy Warhol, Marilyn, 1967, Farbsiebdruck (hellgrün, rosa, gelb); 91,5 x 91,5 cm © The Andy Warhol Foundation for the Visual Art, New York. Foto: © bpk / Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin / Erich Andres